Der Europäische Gerichtshof hat früher die Idee der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Kriminalität abgelehnt. Nun hat er jedoch seine Position geändert und Zustimmung signalisiert.

Was bedeutet Vorratsdatenspeicherung?

Die Vorratsdatenspeicherung verpflichtet Telekommunikations- und Internetdienstanbieter dazu, die Verkehrsdaten ihrer Nutzer über einen bestimmten Zeitraum zu speichern und diese auf Anfrage an Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Zu den gespeicherten Daten können unter anderem die IP-Adresse, Telefonkontakte und Standortinformationen gehören.

Vorratsdatenspeicherung ist ein umstrittenes Thema

In den vergangenen Jahren beschäftigte das Thema Vorratsdatenspeicherung immer wieder die Gerichte. Mehrfach hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen die umfangreiche Überwachung im Internet begrenzt. Erst im September 2022 betonten die Richter des EuGH, dass eine anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten nicht mit den Grundsätzen des EU-Rechts vereinbar sei.

Kehrtwende beim Europäischen Gerichtshof

Die Richter am Europäischen Gerichtshof haben Ende April erstmals einem System zur allgemeinen Vorratsdatenspeicherung in Strafverfolgungsfällen zugestimmt. Eine Begrenzung der Datenspeicherung auf schwere Straftaten sei nicht gerechtfertigt. IP-Adressen könnten demnach ohne spezifischen Anlass gespeichert werden. Solange eine IP-Adresse nicht mit anderen Daten kombiniert werde, könne daraus kein Persönlichkeitsprofil abgeleitet werden.

Demnach sei die Speicherung aus Sicht des Gerichts kein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Es gibt jedoch Grenzen: Die Zwangsspeicherung von IP-Adressen durch Internetdienstanbieter müsse zeitlich begrenzt sein.

Die Richter aus Luxemburg betonten in ihrem Urteil, dass ein solches System nicht zwangsläufig einen schweren Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen darstellt. Die bis dahin existierende Einschränkung der Vorratsdatenspeicherung auf schwere Kriminalfälle besteht somit nicht mehr.

Bedeutung des Urteils für die Zukunft

Weil das Verfahren vor dem EuGH von einer französischen Behörde anstoßen wurde, betrifft das Urteil zunächst die Regelung der Vorratsdatenspeicherung in Frankreich. Jedoch ist davon auszugehen, dass die deutsche Politik das Thema aufgreifen wird und ihre Möglichkeiten neu auslotet.

Derzeit gilt in Deutschland das Quick-Freeze-Verfahren. Bei Verdacht auf schwerwiegende Straftaten kann die Sicherung von IP-Adressen grundsätzlich nur nach einem Richterbeschluss angeordnet werden. Diese IP-Adressen werden dann eingefroren. Ab diesem Zeitpunkt haben Strafverfolgungsbehörden maximal einen Monat Zeit, um einen weiteren richterlichen Beschluss zu erwirken. Der zweite Beschluss erlaubt ihnen die Auswertung der Daten.

Die neue Position des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung dürfte voraussichtlich die deutsche Regelung beeinflussen und den deutschen Strafverfolgungsbehörden möglicherweise größere Handlungsspielräume einräumen.